European Communication Monitor: Resultate für 2010

Am 6. Juli ist der European Communication Monitor 2010 veröffentlicht worden. In dieser jährlich durchgeführten Umfrage werden bei Berufsleuten Trends im Kommunikations-Management und in der PR erhoben. Das Wichtigste in Kürze: Kommunikation wird in allen Bereichen immer wichtiger. Das Wachstum von Disziplinen und Instrumenten wird von den Befragten überschätzt und das teils massiv. Ein Viertel ist von Social Media überzeugt und auch schon teilweise auf die Kommunikation im Social Web vorbereitet. Die strategische Arbeit liegt bei der PR, das Budget beim Marketing. Zwei Drittel aller Befragten schauen noch immer weg und vernachlässigen das Monitoring sträflich.

Schwerpunktthemen der diesjährigen Umfrage waren: Jobzufriedenheit, der Beitrag der PR zu den Organisationszielen, Fragen zum Einfluss der PR auf die Führung, die Auswirkungen der Rezession auf die PR, die Entwicklung der Kommunikationsdisziplinen und Kanäle, sowie die Entwicklung von Online Kommunikation und Social Media. An der Umfrage, die unter der Leitung von Prof. Ansgar Zerfass von der Universität Leipzig durchgeführt wurde, haben 1‘955 Berufsleute aus 46 europäischen Ländern teilgenommen.

Rezession begünstigt die PR

„Kommunikation ist in ihrer Organisation wichtiger geworden“, dies halten 72% der Befragten vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Krise fest. Allerdings haben es nur gerade 22% geschafft, mehr finanzielle oder personelle Ressourcen zu erhalten und 37% haben überdurchschnittlich Budget verloren. Die Befrager orten das Problem hier: „Many professionals neglect one or more basic courses of action by which communication management may contribute to overall organisational goals.” Und sie stellen fest, dass zwar 72% für sich beanspruchen immaterielle Werte zu schaffen, dass aber nur 64% sich dazu verpflichtet fühlen, Geschäftsprozesse zu vereinfachen, was der einzig direkte Weg der Kommunikation zur Unterstützung der Organisation sei.

Dennoch sind 70% der Befragten mit ihrer Jobsituation zufrieden, obschon sie (mit regionalen Schwankungen) bei der Arbeitsplatz-Sicherheit und bei den Salären Abstriche machen müssen. Wesentlich zur Zufriedenheit beitragen dürfte die Einschätzung der PR-Schaffenden, dass sie mit ihrer Arbeit Schlüsselpersonen involvieren, Menschen mobilisieren und auf Management-Prozesse einwirken können.

Das Wachstum wird überschätzt

Welches sind die wichtigsten Disziplinen im Kommunikationsmanagement? Corporate Communication und Markenkommunikation verteidigen bis 2013 ihre Spitzenplätze und auch die interne Kommunikation und Corporate Social Responsibility entwickeln sich positiv. Neu in den Top Five, und seit 2007 zum ersten Mal überdurchschnittlich bewertet, ist die Internationale Kommunikation. Diese Entwicklung ist vor dem Hintergrund der Kommunikation im Social Web, die keine geographischen Grenzen kennt, nachvollziehbar. Bei den Instrumenten haben seit 2009 die Online-Kommunikation, die Online-Medienarbeit und Social Media weiter an Bedeutung gewonnen, für sie prognostizieren die Befragten über die nächsten drei Jahre ein weiteres Wachstum. Diese Einschätzungen sind jedoch mit Vorsicht zu geniessen. Die Nachprüfung der Dreijahresprognose von 2007 hat nämlich ergeben, dass PR-Profis das Wachstum von Disziplinen und Kanälen generell überschätzen.

Fehleinschätzung

Auch wenn die effektiven Werte zuweilen massiv abweichen, so lassen sich dennoch die Tendenzen erkennen. Manche Prognosen, beispielsweise der Rückgang der Bedeutung der Medienarbeit in Printmedien, lassen einfach etwas länger auf sich warten, bis sie sich erfüllen.

Durchbruch der Online-Kanäle im Kommunikationsmix

Online Communications und Social Media haben innerhalb der letzten zwölf Monate einen grossen Sprung nach vorne getan. Heute glauben bereits 68% der Umfrageteilnehmer, dass Websites, E-Mail und Internet wichtige Instrumente für die Ansprache ihrer Zielgruppen sind (59% im Jahr 2009). Etwas langsamer entwickelt sich die Akzeptanz von Social Media; gerade mal gut 27% (Vorjahr 19.5%) denken, dass sie für die Ansprache der Stakeholder geeignet sind. Wie wichtig sind die einzelnen Social Media-Kanäle heute für die PR? Die ersten Ränge belegen Soziale Netzwerke

(Online Communities) (44.6%), Online Videos (38.4%) und Weblogs (30.9%). Twitter hat im vergangenen Jahr mit einer Steigerung von 12.3% auf 26.3% einen beachtlichen Sprung nach vorne auf den vierten Platz gemacht. Geht es nach den Befragten, steht den interaktiven Kanälen bis 2011 ein heftiges Wachstum bevor: +33.5% auf 78.1% für Soziale Netzwerke (Online Communities), +36.9% auf 75.3% für Online Videos, +31.8% auf 58.1% für Weblogs und +25.3% auf 51.6% für Twitter. Wie bereits angemerkt sind diese Werte, weil vermutlich zu euphorisch beurteilt, mit Vorsicht zu geniessen, aber auch hier ist eine Tendenz auszumachen.

Wachstum

NPO’s setzen auf Online Communities und Twitter

Die Organisatoren der Umfrage beurteilen die Akzeptanz von Social Media etwas anders; sie sprechen von Enthusiasmus und stellen fest: „In spite of the enthusiasm, less than one third of organisations have already implemented necessary prerequisites for social media communication”. Social Media Guidelines, Routinen für das Monitoring, die Auswertung von Online-Aktivitäten und Trainingsprogramme für Social Media finden sich bei weniger als einem Drittel der Unternehmen. Dieser Wert erstaunt insofern nicht, als die Umfrage ja ergeben hat, dass heute nur jeder vierte Befragte Social Media für die Ansprache der Zielgruppen für geeignet hält. Die übrigen Befragen setzen die Prioritäten noch anders, jede zweite Organisation hat die Vorbereitung der Prozesse noch nicht einmal geplant. Es sind insbesondere die Berater und PR-Agenturen sowie an zweiter Stelle die Nonprofit-Organisationen (NPO), die auf Online Communities und Twitter bauen.

Die PR kontrolliert die Strategie, Marketing das Budget

Die meisten Eigenschaften von Social Media werden von den Befragten als Chance erkannt. So werden in der Kommunikation Inhalte wichtiger als materielle Mittel und das Kosten/Nutzen-Verhältnis könne sehr exakt gemessen werden. Zudem beschleunigt sich die Kommunikation und Informationen können schneller gefunden werden. Dennoch sehen viele Teilnehmer der Umfrage, vorab aus osteuropäischen Ländern, auch eine kritische Seite in Social Media. Dialoge, die nicht mehr nur von einer Seite aus kontrolliert werden, aber auch die Tatsache, dass jeder in der Organisation Nachrichten verbreiten kann, werten sie eher als Bedrohung denn als Chance.

Interessant ist die Arbeitsteilung: Während die PR-Abteilungen die strategische Kontrolle für die Kommunikation in digitalen Medien und Social Media für sich in Anspruch nimmt, verwaltet das Marketing das Budget. Diese Splittung dürfte in manchen Unternehmen, die keinen integrierten Ansatz verfolgen, noch für rote Köpfe sorgen.

Digitale Evolution fordert mehr Transparenz

PR-Schaffende definieren für sich zwei Herausforderungen für die nahe Zukunft. Die digitale Evolution und die Kommunikation im Social Web ist eine. Die andere ist weiterhin das Bemühen, die Unternehmens-Strategie und die Kommunikations-Strategie in Einklang zu bringen. Dieses Bemühen war während der letzten drei Jahre das Hauptanliegen, heute ist es vom Thema der digitalen Medien überholt worden. Social Responsibility, Nachhaltigkeit und der Aufbau von Vertrauen sind weiterhin wichtig. Sie haben jedoch, zu Gunsten einer neuen Transparenz und einem aktiven Austausch mit den Zielgruppen, leicht an Bedeutung verloren. Viele PR-Schaffende planen eher auf der Basis der Instrumente, denn auf jener von Disziplinen oder Zielgruppen. Dies verdeutlicht einerseits die Schwierigkeit, gerade online Zielgruppen zu bestimmen und

anzusprechen und auf anderseits die Interdependenzen der verschiedenen Disziplinen. Das ist neu. Und was bleibt? Monitoring wird weiterhin sträflich vernachlässigt. 65% der PR-Schaffenden verfolgen keine Monitoring-Strategie; ein gefährliches Versäumnis auf dem Weg ins Social Web in dem sich das Informations- und Meinungskarussell immer schneller dreht.

Teilnehmer der Umfrage

56% Frauen und 44% Männer mit einem Durchschnittsalter von 40 Jahren haben den Fragebogen ausgefüllt. Jeder Zweite bringt mehr als 10 Jahre Berufserfahrung mit, 48% leiten eine Kommunikationsabteilung oder eine Agentur und 31% sind verantwortlich für eine Abteilung oder für ein Projekt. 78% sind in einem Unternehmen und 22% in einer Agentur oder freiberuflich tätig.

Demografische Daten

Die Studie zum Download (122 Folien im pdf-Format, gratis)

Fit für die Kommunikation im Social Web?

Wie sich PR-Schaffende auf die Kommunikation im Social Web vorbereiten können, lesen Sie im Fachbuch PR 2.0: Kommunikation im Social Web, das im Juni 2010 erschienen ist.

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